Sensation vor 30 Jahren: Die LSK-A-Jugend steht im Finale des DFB-Pokals!

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Der 29. Juni 1990, ein Datum für die Ewigkeit? Damals, vor 30 Jahren, stand die A.Jugend des Lüneburger SK im deutschen Pokal-Endspiel gegen die Stuttgarter Kickers. Zuvor hatte der LSK haushohe Favoriten wie Hannover 96, Eintracht Braunschweig, VfL Osnabrück und VfL Bochum aus dem Wettbewerb geschossen. Das sensationelle Erreichen des Finales ist bis heute der größte Erfolg aller Zeiten im Lüneburger Jugendfußball. Und so wie sich der hiesige Nachwuchs derzeit präsentiert (gerade ist wieder ein Anlauf zur Fusion an Vereinsmeierei gescheitert), wird es wohl auf lange Sicht der größte Erfolg bleiben. Grund genug für einen Rückblick auf das Unfassbare, was vor 30 Jahren geschah.
Wiebes goldener Jahrgang
Trainer Thomas Wiebe, heute Ligaobmann des LSK, und Co-Trainer „Siggi“ Hoffmann hatten 1990 eine tolle Truppe zusammengestellt. Das Tor hütete Kapitän Hansi Schulmann, der hatte Bärenkräfte, eine Bärenruhe – ein bärenstarker Keeper. In der Abwehr standen Thomas Cordes, Sascha Kern, Dirk Wojewsky und Frank Ebrecht, alle vier in den folgenden Jahren Stützen der 1. Mannschaft des LSK. Im Mittelfeld zogen der mitreißende Olaf Walter, der defensive Jörn Sieben und sein offensiver Zwillingsbruder Heiko Sieben die Fäden – ein überragendes Trio. Und vorne waren Gunnar Sellmer und der dynamische Thomas Lohmann kaum zu bremsen. Lohmann galt damals als Lüneburgs größte Stürmerhoffnung seit Karsten Wagner. Auch sonst war der Kader glänzend bestückt. Ein goldener Jahrgang, wohl die beste Lüneburger A-Jugend aller Zeiten.

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Der LSK muss in dieser denkwürdigen Saison 1989/90 einen weiten Weg im Pokal zurücklegen. Neun schwere Spiele, sechs davon auswärts. Aber der Reihe nach.
- In der ersten Runde des niedersächsischen Pokalwettbewerbs geht es zum TuS Celle. 2:1 nach Verlängerung gewinnt der LSK.
- Dann gleich ein Hammer-Los: Heimspiel gegen Hannover 96 mit Trainer Hans Siemensmeyer, der 96-Legende. Wieder siegt der LSK, wieder mit 2:1 nach Verlängerung.
- In der dritten Runde, dem Viertelfinale, kommt Eintracht Braunschweig nach Lüneburg. Mit Bundesliga-Haudegen Uwe Kliemann als Trainer. Wiederum siegt der LSK mit 2:1, diesmal ohne Verlängerung. Damit steht die Wiebe-Truppe im NFV-Halbfinale.
- Die Partie um den Endspiel-Einzug verläuft dramatisch. Nach Verlängerung und 11er-Schießen siegt der LSK 6:5 beim VfL Bückeburg. Finale!
3:2 im NFV-Pokal-Finale gegen VfL Osnabrück

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Das Endspiel um den NFV-Pokal steigt in Erbstorf. Gegner: der starke VfL Osnabrück. Durch zwei Tore von Thomas Lohmann und einen Kopfballtreffer von Olaf Walter gewinnt der LSK 3:2 gegen den Favoriten. Damit ist der Einzug in den DFB-Pokal perfekt. Die Mannschaft von Thomas Wiebe hat die erste Sensation geschafft. Aber die Erfolgsgeschichte ist ja noch lange nicht zuende.
DFB-Pokal, wir kommen!
Im Achtelfinale des deutschen Pokals geht es zum schleswig-holsteinischen Pokalsieger Itzehoer SV. Da lässt NFV-Pokalsieger LSK nichts anbrennen. 3:0 durch zwei Tore von Lohmann und einen Treffer von Gunnar Sellmer.

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Im Viertelfinale wartet der Hamburger Pokalsieger. Das ist nicht etwa der HSV oder FC St. Pauli, sondern die starke SV Blankenese. Vor 500 Zuschauern erzielt der überragende Thomas Lohmann in der 20. Minute mit einem 18-Meter-Schuss in den Giebel den Siegtreffer. Halbfinale! Unglaublich!
Das Jahrhundertspiel im Ruhrstadion

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Dann folgt ein Spiel für die Geschichtsbücher des LSK: Das Halbfinale steigt im Ruhrstadion beim VfL Bochum. Schon vor dem Spiel hat VfL-Trainer und Vereinslegende Michael „Ata“ Lameck (518 Bundesligaspiele und 38 Tore für Bochum) getönt: „Wir müssen nur vernünftig spielen, dann gewinnen wir auch.“ LZ-Sportreporter Sebastian Voigt befürchtet im Vorbericht gar „ein Desaster” für die Lüneburger Himmelsstürmer.

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Doch es kommt anders. Vor knapp 500 Zuschauern liefert der LSK dem VfL um Jungstar Peter Peschel einen großen Kampf. Heiko Sieben zeigt eine überragende Leistung im Mittelfeld, Libero Sascha Kern organisiert die Abwehr glänzend, Hansi Schulmann ist wieder eine Bank im Tor. Vorne sind Thomas Lohmann und Gunnar Sellmer brandgefährlich. 0:0 steht es beim Schlusspfiff. Verlängerung. Dann scheint die Partie den erwarteten Verlauf zu nehmen. In der zweiten Minute der Verlängerung schießt der spätere Profi Lutz Kotthaus den VfL 1:0 in Führung. Das Aus? Nein! Der LSK kämpft verbissen weiter. Mit einem 14-Meter-Kracher schießt Gunnar Sellmer kurz vor Schluss den Ausgleich!

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Elfmeter-Schießen – was für ein Drama!

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Elfmeterschießen im Ruhrstadion. Das ist an Dramatik kaum zu überbieten. Hier noch einmal der Krimi:
- Jugendnationalspieler Tewes trifft zum 2:1 für Bochum.
- Olaf Walter gleicht zum 2:2 aus.
- Kotthaus trifft zum 3:2.
- Ausgerechnet Serientorjäger Lohmann schießt übers Tor.
- VfL-Torwart Kühn erhöht auf 4:2.
- Sascha Kern verkürzt auf 4:3 für den LSK.
- Peschel verwandelt zum 5:3.
- Jörn Sieben bleibt cool: 5:4. Neue Hoffnung.
- Und tatsächlich: Bochums Golicki drischt die Kugel in die Wolken.
- Frank Ebrecht gleicht zum 5:5 aus.
- Gowick bringt den VfL 6:5 in Führung.
- Thomas Cordes egalisiert: 6:6.
- Dann kommt der große Auftritt von LSK-Keeper Hansi Schulmann. Er hält den Schuss von VfL-Kapitän Schmugge.
- Nun liegt alles bei Gunnar Sellmer. Der bleibt eiskalt, verwandelt rechts unten. 7:6 für den LSK! Finale!
VfL-Star Peschel und Trainer „Ata“ Lameck sind restlos bedient. Der kleine LSK tanzt ausgelassen auf dem Rasen des großen VfL. Lameck zeigt sich dann aber als fairer Verlierer: „Dieser Sieg des LSK ist gerecht.“

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Kicker: „Der LSK hat die Ehre des Nordens gerettet“
Auch die Landeszeitung, der ein Desaster geschwant hatte, jubelt am nächsten Tag: „Phantastischer LSK zermürbte Favoriten – In Bochum mit eisernen Nerven durchs Elfmeter-Drama“. Und das Sportmagazin kicker lobt: „Sensation im DFB-Jugend-Pokal. Der Amateurverein Lüneburger SK hat die Ehre des Nordens gerettet“. Als erster norddeutscher Klub hat der LSK in der 20-jährigen Geschichte des DFB-Jugend-Pokals das Endspiel erreicht.

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DFB bleibt hart: LSK im Endspiel schon wieder auswärts
Nun also Finale. Pech für den LSK, dass auch das Endspiel in der Fremde ausgetragen wird. Nach drei Auswärtsspielen in Folge hat der DFB darüber nachgedacht, das Finale nach Lüneburg zu verlegen, diesen Plan aber wieder verworfen. Die Lüneburger müssen am Freitag, 29. Juni, um 18.30 Uhr bei den Stuttgarter Kickers antreten.
Der LSK reist auf DFB-Einladung mit offizieller Delegation in Stuttgart an. Dazu gehören auch der legendäre LSK-Jugendleiter „Pele“ Capelle und Geschäftsführer Jochen Albers, beide leider viel zu früh verstorben. Der LSK ist komfortabel in der Landessportschule Baden-Württemberg untergebracht,
Kickers-Trainer Zobel staunt über den LSK

Foto: Stuttgarter Kickers
600 Zuschauer kommen zum Finale ins Waldau-Stadion in Stuttgart-Degerloch. Darunter der heutige LSK-Teamchef Rainer Zobel. Er ist in jenen Tagen Trainer des Zweitligisten Stuttgarter Kickers, steigt in der folgenden Saison mit seinem Team in die Bundesliga auf. Zobel sagt damals: „Ich war total überrascht, als ich hörte, dass mein ehemaliger Verein LSK in Bochum das Halbfinale gewonnen hat. Die Teilnahme am Pokal-Endspiel ist nur vergleichbar mit dem Oberliga-Aufstieg des LSK im Jahr 1980.“
Beim LSK-Gegner Stuttgart stürmt Fredi Bobic

Foto: Stuttgarter Kickers
Zurück zum Finale: Vor dem Anpfiff wird die Nationalhymne gespielt. Da mag manchem im zuvor so frech aufspielenden LSK-Team in den Sinn gekommen sein: Das hier ist was ganz Großes. Dazu kommt der Respekt vorm Gegner: Die Stuttgarter Kickers haben den großen Rivalen und amtierenden Deutschen Cup-Gewinner VfB Stuttgart aus dem Pokal geschmissen. Bei den Kickers schießt ein junger Mann mit dem Namen Fredi Bobic Tore am Fließband. Er absolviert später 364 Profispiele für Stuttgarter Kickers, VfB Stuttgart, Borussia Dortmund, Bolton Wanderers, Hannover und Hertha BSC, schießt 138 Tore. Auch in der deutschen Nationalmannschaft trifft Bobic zehnmal in 37 Länderspielen.
Im Finale gegen den LSK bleibt Jungstar Fredi torlos. Doch das erledigen andere: Skibowski (31.) schießt das 1:0. Nach dem Wechsel hat der LSK Chancen. Doch der spätere Profi Lösch (62.) erzielt nach Vorbereitung von Bobic das 2:0, der überragende Jugendnationalspieler Ziller (66.) das 3:0. Damit ist das Spiel entschieden. Der LSK kann an diesem schwülwarmen, verregneten Freitag nicht mehr an die überragenden Leistungen der vorherigen Triumphe anknüpfen.
Stuttgarter staunen: „Die können ja besser feiern als wir“
LSK-Erfolgstrainer Thomas Wiebe sagt auf der Pressekonferenz nach dem Finale: „Ich glaube, Sie alle können beurteilen, was uns für bedeutet hat, nach so vielen schweren Spielen im Pokalfinale zu stehen. Darum möchte ich meiner Truppe danken.“
Auch seinen Jungs wird schnell klar, dass sie Großartiges erreicht haben. Im VIP-Raum des Waldau-Stadions bejubeln sie ihre Finalteilnahme, als hätten sie den Cup gewonnen. „Die können ja besser feiern als wir“, staunen die Stuttgarter. Die LSK-Spieler skandieren im Sprechchor: „Wir holen den Pokal – nächstes Mal!“ Dazu ist es nicht gekommen, nie wieder. Deshalb ist dieser Erfolg vor 30 Jahren so überragend, so denkwürdig.