Tomek Pauer ist 26 Jahre alt, spielt schon seit 2015 für den LSK. Er sorgt sich um die Zukunft seines Vereins. Deshalb hat er einen offenen Brief an die Sportpark-Skeptiker geschrieben.
Foto: HEIMSPIEL.media / Stefan Großmann

Der Streit, ob der Lüneburger SK einen Sportpark zwischen Wendisch Evern und Lüneburg bauen darf, er schwelt weiter. Bisher haben sich Anwohner, Politiker, Vereinsvertreter und Fußballfreunde geäußert. Jetzt meldet sich erstmals ein Spieler zu Wort. „Es tut sehr weh“, schreibt Tomek Pauer in einem offenen Brief an die Gegner des Sportparks. Er sorgt sich um die Zukunft seines Vereins.

In seinem bewegenden Schreiben bleibt der 26-Jährige absolut fair, so wie die LSK-Fans ihn als Fußballer kennen, aber er argumentiert auch emotional und kämpferisch, so wie er auf dem Sportplatz auftritt.

Hier ist der Brief, den Tomek uns mit Bitte um Veröffentlichung geschickt hat:

Hallo,

dies ist ein Brief, der sich nicht primär an die vielen Sportbegeisterten und Fußballliebenden da draußen wendet, sondern vor allem diejenigen erreichen soll, die sich nicht täglich auf dieser Seite oder in vergleichbaren Foren treffen, um sich auszutauschen, zu diskutieren oder ihre Lieblingsmannschaften zu unterstützen.

Dieser Brief geht an all diejenigen, die Sport vielleicht nicht aus dem Blickwinkel erfahren haben, wie ich es getan habe. Dieser Brief geht an all diejenigen, deren Hilfe der Sport nicht nur in unserer Region, sondern in ganz Deutschland ganz dringend braucht, um nicht Gefahr zu laufen, zu zerfallen.

Ich schreibe diesen Brief, weil in den vergangenen Tagen in den Medien über zwei der vier Vereine berichtet worden ist, die mich bis hierhin durch meine sportliche Laufbahn begleitet haben. Berichte, die aufzeigen, wie ernst die Lage ist.

Nachdem die Diskussionen über den geplanten Sportpark, der für den Lüneburger SK Hansa die sportliche und existenzielle Zukunft bedeutet, doch äußerst enttäuschend abliefen, erreichte mich gestern zudem die Nachricht, dass auch mein Jugendverein, der SV Eichede, vor einer existenzbedrohenden Situation steht. Diese beiden Vereine, die mir in meinem Leben als Sportler, als Mensch, als Fan und als Freund so viel gegeben haben, kämpfen für eine Zukunft, die mehr als ungewiss ist.

Das tut nicht zuletzt deswegen so sehr weh, weil ich genau weiß, welch hervorragende und wertvolle Arbeit in diesen Vereinen geleistet wird, weil ich erlebt habe, was Sportvereine für Menschen bedeuten können und wie wichtig solche Institutionen für unser Miteinander sind.

Diese beiden Vereine stehen stellvertretend für viele Vereine in Deutschland, die aktuell ganz unabhängig von Corona in vergleichbaren Schwierigkeiten stecken und sowohl wirtschaftlich als auch politisch auf die Unterstützung in der Bevölkerung und Politik angewiesen sind. 

Der Fußballverein ist ein idealer Ort für Integration, davon ist Tomek Pauer (l.) überzeugt.
Foto: Jürgen Poersch

Der Wert dieser Vereine und des gesamten Sports ergibt sich ganz sicher nicht nur aus dem sportlichen Wettbewerb und der Fankultur, sondern besonders aus der gemeinschaftlichen Arbeit, der Gesundheitsförderung vor allem für unsere jüngere Generation und den vielfältigen integrativen Möglichkeiten, die ich für wichtiger  und wertvoller denn je halte. 

Der SV Eichede stellt seit vielen Jahren einen wichtigen und überregional bekannten Standort für Jugendarbeit und Talentförderung im Fußball dar. Einen Standort, dessen Einzugsgebiet für Jugendliche weit über den Kreis Stormarn hinausgeht.

Der LSK Hansa bietet eine Heimat für mehr als 230 Kinder und Jugendliche im Landkreis Lüneburg. Über 230 Kinder und Jugendliche, die über den Fußball Spaß an Bewegung und damit Spaß an einer gesunden Lebensweise vermittelt bekommen. Über 230 Kinder und Jugendliche, denen über den Weg des Sports wertvolle Prinzipien wie Hilfsbereitschaft, Gemeinschaft, Ehrgeiz, Kommunikation und Toleranz nähergebracht werden. Prinzipien, die unverzichtbar für unser Miteinander sind. Werte, die in der Erziehung meiner Kinder ganz oben auf der Liste stehen und die in den aktuellen Zeiten umso wichtiger sind.

Ganz unabhängig von der Jugendarbeit leisten beide Vereine auch bewundernswerte Integrationsarbeit in verschiedensten Bereichen. Stellvertretend für viele weitere Projekte stehen hier das 2008 mit der Lebenshilfe gegründete Handicap-Team des SV Eichede oder die regelmäßigen Besuche der LSK-Spieler bei der Kindertafel oder zu Weihnachten in der Lüneburger Kinderklinik.

Kinder brauchen Werte, die werden beim Fußball vermittelt, schreibt Tomek Pauer. Hier sieht man den LSK-Spieler bei der LSK-Aktion „Vorlesen und bewegen“ in der Lüneburger Kindertafel.
Foto: Jürgen Poersch

Es tut mir sehr weh, wenn ich all diese Arbeit, all diese Projekte, all diese wertvollen Inhalte nun gefährdet sehe, wenn ich allgemein den Wert und die Förderung des Sports in der Gesellschaft schwinden sehe. Das ist eine große Gefahr und krasse Schwächung unserer Gesellschaft. 

Kinder brauchen das Vermitteln oben genannter Werte, Kinder brauchen Bewegung, Menschen brauchen Freizeit-Aktivitäten, Menschen brauchen das Miteinander und unsere Gesellschaft braucht den Sport, der all diese Themen vereint.

Dass diese Vereine nun mit enormen politischen und gesellschaftlichen Hürden zu kämpfen haben, wird ihrem Stellenwert in unserer Gesellschaft nicht gerecht. 
Deswegen habe ich mich entschieden, diesen Brief zu schreiben. Einen Brief, der die Sichtweise eines Menschen widerspiegeln soll, dessen Leben von Sport geprägt ist und dem der Sport so viel gegeben hat. Der Sport hat mich mit vielen Menschen zusammengebracht, die ich so wohl nie kennengelernt hätte. Ich habe Freunde gefunden, die heute über die ganze Welt verteilt leben, darunter Freunde, die mich sicher mein ganzes Leben begleiten werden. Einer dieser Freunde wird nächstes Jahr mein Trauzeuge sein.

Der Sport hat mir ermöglicht, in Amerika zu studieren und neue Kulturen kennenzulernen, Spannendes zu erleben, wovon ich meinen Kindern erzählen werde. Ich habe durch den Sport gelernt, was es heißt, für persönliche Ziele zu kämpfen. Ich habe gelernt, mit meinen Mitmenschen zu kommunizieren, zu diskutieren, Kritik zu verarbeiten, für meine Meinung einzustehen, aber auch andere Meinungen zu tolerieren und anzunehmen.

Ich habe mit Kindern arbeiten und soziale Projekte unterstützen dürfen. Der Sport hat mich früh Werte wie Zielstrebigkeit, Mut und Empathie, aber auch wertvolle Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen gelehrt. Eigenschaften, die mich auch in meinem Berufsleben voranbringen und wertvoll machen. Ich wäre heute mit Sicherheit nicht so selbstsicher und selbstbestimmt, wenn ich nicht schon im Sport früh viel Verantwortung übernommen hätte. Der Sport hat mir Vorbilder gegeben und ist Teil meiner Identität. 

Tomek Pauer (vorn) ist nicht nur Organisator und Stabilisator des LSK-Spiels, sondern auch „Torminator“. Hier jubelt er zusammen mit Marco Schuhmann über sein Tor zum 3:1 gegen den FC St. Pauli II.
Foto: HEIMSPIEL.media / Stefan Großmann

Kurz gesagt: Ich wäre heute nicht derjenige, der ich bin, wenn ich den Sport nicht gehabt hätte und dafür bin ich dankbar.

Der Gedanke, dass Generationen nach mir dieser Wert nicht im gleichen Maße zuteil werden könnte wie mir, beschäftigt mich. Deswegen schreibe ich diesen Brief an all diejenigen, die diese Sichtweise vielleicht vergessen, vielleicht aber auch nie kennengelernt haben. Ich wollte eine Sichtweise teilen, die in vielen Diskussionen vielleicht untergeht, die aber viel Gewicht haben sollte. 

Ich möchte ganz explizit darauf hinweisen, dass ich für jedes Argument, für jede Diskussion, für jeden Blickwinkel und für jede Sorge absolutes Verständnis habe, dass ich niemanden in seinem Standpunkt kritisieren möchte und dass ich einen konstruktiven Austausch zwischen Politik, Sportinstitutionen und Gesellschaft für absolut wichtig und notwendig halte. 

Ich kann nur aus meiner Sicht an alle Menschen da draußen appellieren, dass wir als Gesellschaft aufpassen sollten, den Wert von Sport nicht aus den Augen zu verlieren und dass existierende Strukturen wichtig sind. Wer jetzt die Möglichkeit hat, Vereine mit dem eigenen Standpunkt und der eigenen Meinung zu unterstützen, sollte das tun. Denn Institutionen, denen wir jetzt den Boden unter den Füßen wegreißen, kommen so schnell nicht wieder.

Liebe Grüße
Tomek Pauer
Spieler des Lüneburger SK Hansa und ehemaliger Spieler des SV Eichede