Rainer Zobel hat seinen Vertrag beim Lüneburger SK Hansa bis 2023 verlängert.
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Es geht diese Woche Schlag auf Schlag beim Lüneburger SK Hansa: Mittwoch haben wir gemeldet, dass Amara Doumbia neuer Trainer der U23 ist, Donnerstag wurde Regionalligaspieler Stefan Wolk als neuer U17-Coach vorgestellt, gestern wurde bekannt, dass LSK-Co-Trainer Michael Lindner ein Chefcoach-Anegot des Landesligisten VfL Lüneburg abgelehnt und zwei weitere Jahre beim LSK unterschrieben hat. Heute kann der LSK-Vorstand verkünden: Auch Teamchef Rainer Zobel hat einen neuen Vertrag unterschrieben.

Der ehemalige FC-Bayern-Profi und Bundesligatrainer Zobel hatte bisher einen unbefristeten Vertrag beim LSK. Der wurde jetzt auf Zobels Wunsch in einen befristeten umgewandelt: „Mit zweijähriger Laufzeit und einer beiderseitigen Kündigungsoption nach einem Jahr“, sagt Zobel. Damit trägt das eingespielte Trainergespann Zobel/Xhafolli weiter die Verantwortung für das Regionalligateam des LSK.

Wir haben mit Rainer Zobel über seine Vertragsverlängerung gesprochen.

Moin, Rainer, Du hast Deinen Vertrag um zwei Jahre verlängert. Als Spieler und Trainer hast Du unglaublich viel erlebt. Mit 72 Jahren könntest Du Dich ja auch gemütlich in Deinen Garten in Braunschweig setzen und auf die Oker schauen. Warum machst Du weiter beim LSK?

Weil es mir einfach Spaß macht! Besonders viel Spaß macht es mir zusammen mit meinem Traierkollegen Qendrim Xhafolli. Außerdem habe ich festgestellt, als ich nach Ende meiner Profi-Trainer-Karriere ein dreiviertel Jahr nichts getan habe, dass ich dann alt werde. Man kann nicht immer mit seinen Blumen und seinem Rasen sprechen, der Garten ist irgendwann fertig und dann hat man nichts mehr zu tun, hat keine Verantwortung mehr. Dann muss man nicht mehr nachdenken oder vorausdenken. Dann hören die Synapsen auf zu arbeiten und man wird alt. Deshalb ist es für mich eine ganz tolle Geschichte, dass ich beim LSK weitermachen darf.

Du gehörst ja zu der Trainergeneration eines Jupp Heynckes. Ihr hattet Eure große Zeit als Bundesliga-Spieler in den 70er Jahren. Seitdem hat sich der Fußball rasant weiterentwickelt. Wie bleibst Du da auf dem Laufenden?

Ich muss regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen, sonst erlischt mein Trainerschein. Dadurch ist man immer auf dem Laufenden. Außerdem habe ich regelmäßig Kontakt zu Trainerkollegen, die jünger sind als ich. Zum Beispiel zu Marcus Sorg, dem Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Marcus war früher mal mein Co-Trainer bei den Stuttgarter Kickers. Oder mit Stefan Kuntz, dem Coach der U21-Nationalmannschaft. Stefan war mal mein Spieler beim 1. FC Kaiserslautern. Mit beiden Trainern tausche ich mich häufig aus. Die beiden erleben die aktuellen Entwicklungen des Fußballs ja hautnah mit. Außerdem kann man die Veränderungen des Fußballs ständig im Fernsehen mitverfolgen – und dabei mit sich selbst diskutieren, was man besser machen würde.

Stefan Kuntz war in der Saison 1992/93, als Rainer Zobel den Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern trainierte, der große Torjäger am Betzenberg. Heute trainiert Kuntz die deutsche U21-Nationamannschaft.
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Aber es gibt wahrscheinlich auch Fußball-Weisheiten, die ewig gültig sind, oder?

Ja, natürlich. Zum Beispiel, dass der Gegner immer dann am schwächsten ist, wenn er gerade den Ball verliert. Dann muss man den Ball ganz schnell nach vorne spielen. Das wird immer so sein. Das hat sich bei der letzten Weltmeisterschaft wieder bewahrheitet. Nicht die Mannschaften, die wie Deutschland auf Ballbesitz gespielt haben, haben sich durchgesetzt, sondern zum Beispiel die Franzosen, die sich zurückziehen und dann schnell umschalten. Mit dieser Taktik hat uns selbst Südkorea geschlagen.

Zurück zum LSK: Welche Ziele hast Du in den kommenden Jahren mit diesem Verein?

Ich habe keine persönlichen Ziele mehr. Aber ich möchte, dass es dem Verein Schritt für Schritt gelingt, wieder auf stabilen Beinen zu stehen. Dabei möchte ich helfen. Das ist auch Qendrims Anliegen. Wir wünschen uns, dass der LSK eines Tages wieder ein eigenes Stadion hat, damit er mehr Einnahmen generieren kann und vielleicht auch mal ein großer Werbepartner einsteigt. Der LSK macht das bisher prima, indem er auf viele kleinere Werbepartner setzt. Aber wenn der Verein vielleicht mal eine Klasse höher spielen möchte, dann braucht er einen großen Sponsor. Mir fällt da LG Electronics ein, LG wie Lüneburg. Vielleicht wären die ja gerne Namensgeber für ein LG-Stadion.

Du kennst die Bundesliga als Spieler und Trainer. Gibt es im LSK-Kader Spieler, denen Du den Sprung in den Profifußball zutraust?

Das ist schlecht vorauszusagen, Denn ein Spieler muss im richtigen Moment ins Team passen. Klappt das nicht, dann kann seine Entwicklung stoppen. Deshalb ist das schwer zu prophezeien. Potenzial haben eigentlich alle Spieler, die mal in der U19-Bundesliga gespielt haben. Die würden da ja nicht spielen, wenn sie nicht das Potenzial hätten. Doch dann bleiben einige im Herrenbereich stehen, weil auch die Körperlichkeit dazukommt. Andereentwickeln sich sogar besser.

Zobel freut sich, dass der ehemalige LSK-Torjäger Can Düzel (vorne) sich auf Anhieb beim ambitionierten Regionalligisten FC Carl Zeiss Jena durchgesetzt hat.
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Kannst Du Beispiele nennen?

Ja, ein Beispiel in unser ehemaliger Spieler Can Düzel, der aus Meiendorf zu uns kam und sich sofort in der Regionalliga einen Stammplatz beim FC Carl Zeiss Jena erobert hat. Ein anderes Beispiel bei uns ist Alexander Gerlach, der sich sensationell bei uns entwickelt hat, nachdem wir ihm schon mit Rauswurf gedroht hatten. Dabei hat er nie in der Jugend-Bundesliga gespielt. Jetzt hat er kapiert, worauf es ankommt und macht das sehr gut. Oder nehmen wir Malte Meyer. Das ist einer von denen, die gar nicht höher spielen wollten. Vor zwei Jahren hat er uns noch abgesagt, weil er sich Regionalliga nicht zugetraut hat.

Malte ist jetzt 22, traust ihm den Sprung in den Profifußball noch zu?

Es gab immer Späteinsteiger. Wegen Corona konnte Malte in dieser Saison noch gar nicht richtig zeigen, was er alles draufhat. Aber wenn Du in der Regionalliga mit 24 Jahren 20 Tore schießen würdest, dann bist Du für viele Profivereine interessant. Das Potenzial hat Malte.

Zobel traut seinem Mittelstürmer Malte Meyer (vorne) den Sprung in höhere Klassen zu.
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Gibt es beim LSK Trainer, denen Du den Sprung in den Profifußball zutraust?

Auf jeden Fall Qendrim Xhafolli! Es muss sicherlich noch einiges im Umgang mit der Presse lernen, das werden wir ab sofort forcieren. Auch in Sachen Führungsstil kann er sich noch etwas abschauen, das macht er auch – wann man Härte zeigen muss, wann man auch mal fröhlich sein kann. Von mir hat er zum Beispiel den Grundsatz übernommen „Disziplin und Freiheit schließen sich im Fußball nicht aus“. Das muss man als Trainer dann verkörpern: Disziplin einfordern, aber auch Freiheiten geben.

Was ist mit Deinem Athletiktrainer Gregor Trowitzsch?

In seinem Bereich ist Gregor herausragend. Jeder Profiverein, der solch einen Mann nicht holt, ist doof. Gott sei Dank für uns! Wenn ich noch mal Profitrainer werden würde – was nicht passiert –, dann würde ich Gregor sofort verpflichten. Ich möchte ihm und Qendrim in den nächsten zwei Jahren mit meinen Beziehungen gerne helfen, ein Bein in den Profifußball reinzubekommen. Das hat bei meinem ehemaligen Co-Trainer Marcus Sorg ja auch ganz gut geklappt.

Absolutes Bundesliga-Niveau bescheinigt Zobel seinem Athletiktrainer Gregor Trowitzsch.
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Wie soll das eigentlich beim LSK laufen, wenn Qendrim in diesem Jahr zum DFB-Fußballlehrer-Lehrgang geht?

Ich hoffe erstmal, dass er angenommen wird. Dann wird er unter der Woche nicht in Lüneburg sein. Ich werde das Training dann wieder übernehmen. Die Spieler haben schon gefrotzelt, ob ich das überhaupt noch kann, denn meist macht Qendrim ja die praktische Arbeit auf dem Trainingsplatz. Ich kann das schon noch, auch ein Jahr lang. Und ich habe ja noch meinen Co-Trainer Michael Lindner, Torwarttrainer Mario Drewes und Athletiktrainer Gregor Trowitzsch. Zusammen werden wir das gut hinkriegen, zumal wir sehr erfahrene Spieler wie Lukas Pägelow, Tomek Pauer und Stefan Wolk haben, denen ich während des Trainings Aufgaben übergeben könnte.

Teamchef Rainer Zobel (r.) hält große Stücke auf seinen Trainerkollegen Qendrim Xhafolli (l.) und will ihm den Rücken freihalten, wenn Xhafolli zum DFB-Lehrgang geht.
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Anderes Thema: Im Vorjahr ist „Rainer Zobel & Freunde – die LSK-Fußballschule“ gegründet worden. Wie ist das angelaufen?

Das ist richtig gut angelaufen! Wir hatten 2020 Hunderte von Anmeldungen in Barskamp, Barendorf, Erbstorf und in der Goseburg. In den Osterferien in diesem Jahr mussten wir die Ferien-Fußballschule leider wegen Corona absagen. Aber bei unserem aktuellen Lehrgang von Himmelfahrt bis heute hatten sich 38 Mädchen und Jungen angemeldet, trotz des Regenwetters waren immer alle da. Zum Glück hatten wir heute am Schlusstag schönes Sonnenwetter.

Die LSK-Fußballschule mit Namensgeber Rainer Zobel (vorne) und seinen Trainerkollegen ist ein Riesenerfolg.
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Woher kommt der Erfolg der Fußballschule?

Naja, es hat sich eben bei den Kindern und Eltern herumgesprochen, dass sie beim LSK auch das bekommen, was draufsteht. Bei den Fußballschulen der Bundesliga-Vereine machen oft Studenten das Training, und am Schlusstag schaut mal kurz ein Reservist aus dem Profikader vorbei. Beim LSK leiten ich und andere ehemalige Profis wie Detlef Olaidotter zusammen mit unseren Regionalligaspielern die Trainingseinheiten. Und wir unterrichten in kleineren Gruppen als andere Fußballschulen, sodass der oder die einzelne besser gefördert wird.

Was habt Ihr künftig noch mit der LSK-Fußballschule vor?

Wegen Corona ist unser individuelles Fördertraining, das wir neben den Ferienkursen anbieten wollen, noch gar nicht zum Tragen gekommen. Außerdem werden wir wieder in Schulen und Kindergärten Fußball unterrichten, wenn Corona das zulässt. Ich werde zum Beispiel wieder an die Grundschule Betzendorf gehen.

Was rätst Du jungen Fußballerinnen und Fußballern, die gerne in den Profibereich möchten?

Talent allein reicht nicht. Ihr müsst Fußball begreifen und so spielen, dass Eure Mannschaftkameraden Euch immer spielen sehen wollen – und der Trainer auch. Ihr müsst die Aufgaben erfüllen, die der Rest der Mannschaft und der Trainer von Euch erwarten. Wenn Du Deine Aufgabe erfüllst, dann bist Du einen großen Schritt weiter im Profifußball. Es macht keinen Sinn, wenn Du immer an der falschen Stelle zeigen willst, was Du alles kannst.

Kannst Du mal ein Beispiel nennen?

Ja, Du führst zehn Zweikämpfe, von denen Du nur zwei gewinnst – wo ist das sinnvoller, vor dem eigenen oder dem gegnerischen 16er? Natürlich vor dem gegnerischen, weil Du dann vielleicht zwei Tore schießt. Wenn Du das aber vor dem eigenen 16er machst, dann kriegst Du womöglich acht Tore rein. Das müssen junge Spieler lernen: Wo macht man was an welcher Stelle des Platzes und was macht man nicht.

Rainer Zobel ist begeistert, was sich im LSK-Trainingszentrum in der Goseburg entwickelt. Im Herbst soll das dreigeschossige Gewerbe- und Vereinsgebäude eingeweiht werden
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Noch einmal zum LSK. Du hast mehrfach gesagt, dass es ein Wunder ist, dass dieser Verein unter solch schwierigen Bedingungen in der Regionalliga spielt. Was muss passieren, damit Lüneburger weiter in der vierten Liga spielen kann?

In den vergangenen Jahren hat sich ja eine Menge entwickelt. Ich kann mich erinnern, dass ich anfangs in Bardowick auf einem halben trapezförmigen Platz trainiert habe, auf dem zwei Flutlichtlampen in die falsche Richtung strahlten, da war es stockduster. Das war nicht einfach. Mittlerweile haben wir in der Goseburg zwei Rasenplätze mit hervorragendem Flutlicht. Das ist schon gut. Wenn das Vereinsheim mit Umkleiden, Duschen und Geschäftsstelle dann im Herbst steht, ist es sogar sehr gut. Wenn irgendwann noch ein Kunstrasenplatz für das Wintertraining kommen würde, wäre es optimal. Das hat sich alles enorm verbessert. Und in so kurzer Zeit!

Ein Verdienst des LSK-Vorstandes?

Ja, natürlich, und ein Verdienst der vielen Ehrenamtlichen um Björn Busch. Ich bin nicht immer mit allen einer Meinung, aber alle leisten Hervorragendes. Das ist umso höher anzuerkennen, als unsere Vorstandsmitglieder auch beruflich sehr viel um die Ohren haben.

Zobel lobt die engagierte Arbeit des LSK-Hansa-Vorstandes über den grünen Klee. Von links: Schatzmeister Henning Constien, Vizepräsident und Goseburg-Bauherr Alexander Diercks, Jugendvorstand Martin Wilke und Präsident Sebastian Becker
Foto: Jürgen Poersch

Was macht diesen Vorstand so stark?

Präsident Sebastian Becker ist ein seriöser Repräsentant unseres Vereins, der den LSK nach außen sehr gut vertritt und sich als Rechtsanwalt perfekt ums Vertragliche kümmert. Alexander Diercks und Martin Wilke bringen neben ihrem großen persönlichen Engagement viel Fußball-Sachverstand ein.

Und wie kommst Du mit dem, sagen wir mal, meinungsstarken Henning Constien klar?

Wir haben in Henning einen Schatzmeister, der das mit den Finanzen unglaublich gut macht, höchsten Respekt davor! Henning ist ja eigentlich Tischtennisspieler, aber er hat im Umgang mit einer Fußballmannschaft sehr schnell sehr viel dazugelernt. Denn ein Fußballverein ist nicht mit einer Firma gleichzusetzen. Wir streiten immer wieder mal, aber stets respektvoll, und wir kommen immer zu einem gemeinsamen Ergebnis – so wie jetzt bei meinem neuen Vertrag. Ich glaube, es läuft auch deshalb so gut beim LSK, weil sich die verschiedenen Fähigkeiten der Vorstandsmitglieder, der Trainer und der Ehrenamtlichen so ideal ergänzen.

Rainer, vielen Dank für das ausführliche Gespräch und weiter viel Erfolg bei Deinem LSK.

Auf die nächsten beiden Jahre beim LSK, Rainer! Wir sehen uns hoffentlich bald alle im Neetzer Jahnstadion.
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